Zindy forever
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Zindy will auch Grippe haben

 

 

Es wirkte fast so als herrsche eine neue Kleiderordnung bei Familie Knirps. Jogginghosen, Kuschelpullis und Wollschals waren aus Schränken und Schubladen aufgetaucht und hatten Blusen, Hemden und Hosen verdrängt. Selbst am Esstisch waren sie momentan erlaubt. Überall standen Boxen mit Papiertaschentüchern und „Hatschi“, „Schnief“ und „Krächz“ waren die am häufigsten gehörten Laute im Haus.
Angefangen hatte es ganz harmlos damit, daß Mama Kathrin sich nicht ganz wohlfühlte. Sie hustete ein wenig und ihr lief die Nase. Dann begann sie zu frieren.  Als das Fieberthermometer schließlich erhöhte Temperatur anzeigte, beschloss sie einen Tag von der Arbeit zu Hause zu bleiben.
„Ja, die jährliche Grippewelle hat Sie erreicht“, diagnostizierte ihr Hausarzt und schrieb sie für den Rest der Woche krank.
Sie machte sich Tee und Hühnersuppe und damit schien alles gut.
Doch dann fühlte sich Niklas schlapp und Papa Daniel klagte über Kopfschmerzen. Zindy dachte sich nichts dabei, doch den Frauen war es sofort klar: Die Männergrippe war im Haus.
Mindestens dreimal so schlimm wie jede gewöhnliche Erkältung fesselte sie die beiden ans Sofa. Mama Kathrin, der es schon wieder etwas besser ging, und vor allem Oma Charlotte, an deren Abwehrkräften sich die Grippeviren anscheinend die Zähne ausbissen, pflegten sie liebevoll. Kissen aufschütteln, noch eine zweite Decke und eine heiße Zitrone bringen, Wunschessen kochen. All ihre Lieblingssendungen liefen im Fernsehen und wenn sie etwas anderes sehen wollten, genügte ein gehauchtes „Aah“ und schon wechselte jemand den Sender für sie. Oma Charlotte brachte Papa Daniel Heimwerkerzeitschriften aus dem Supermarkt mit und holte Niklas sein Handy, das er unter Aufbringen seiner letzten Kräfte gerade noch bedienen konnte.
„Du bist die Beste“, stöhnten beide und Niklas ließ es sogar zu, daß sie ihm die Hand auf die Stirn legte, was sonst ein Unding war.
„Männer“, lachte die nur. „Die Jugend hält einfach nichts mehr aus!“ Dann verschwand sie wieder in der Küche um den beiden einen Genesungspudding zu kochen.
Zindy setzte sich immer wieder neben das Telefon und beobachtete das Ganze interessiert. Als schließlich auch noch Kisha kränkelte und Oma Charlotte ihren Pflegeservice aufs Dachgeschoß ausweitete, war es für Zindy klar.
Sie wollte Hand auf die Stirn halten. Sie wollte kuschelig eingemummelt Pudding essen. Sie wollte eine Grippe.
Sie hatte dabei nur eines vergessen: Es ist für ein Stofftier eigentlich nicht möglich die Grippe zu bekommen. Aber das verdrängte sie. Das wäre doch gelacht. Ihr musste nur das Richtige einfallen.
So langsam wie es ihr möglich war hüpfte sie zu Gerome, der heute ausnahmsweise nicht auf seinem Lieblingskissen auf dem Sofa saß. Kisha, die nicht im Bett liegen wollte, hatte das Sofa für sich beansprucht und ihn deshalb ans Küchenfenster ausquartiert.
„Hier bist du vor meinen Bazillen, Viren und was sonst noch so rumschwirrt sicher“, hatte sie gekrächzt und sich dann wieder hingelegt. „Wenn ich wüsste, wo Zindy steckt, würde ich sie zu dir setzen.“
Nun, zu diesem Zeitpunkt hatte der kleine Stoff-Orang-Utan wahrscheinlich unten neben dem Telefon gesessen. Jetzt aber stellte sie sich zu Gerome und seufzte mehrmals tief. Sollte der gleich fragen, ob sie gemeinsam durchs Zimmer schwingen wollten, würde sie ein bisschen flunkern und ihm sagen, daß sie sich dazu zu schlapp fühlte. Aber Gerome schlug so etwas nie vor und wenn er es doch tun würde, konnte sie nicht schwindeln. Dafür schwang sie einfach zu gerne. Davon abgesehen hielt er das ganze Gestöhne von ihr für einen Spaß und seufzte einfach mit.
Okay, sich schlapp fühlen war also nicht ihres. Was war da noch? Zindy überlegte kurz. Richtig. Frieren. Kalt, kalt war es gerade nur im Kühlschrank und den bekam sie allein nicht auf. Und wenn die Tür zufiel ging das Licht aus und dann war es stockdunkel und das wollte sie auch nicht. Außerdem bekam sie schon bei dem Gedanken an den Kühlschrank Hunger. Grippekranke hatten aber keinen Hunger. Sie fühlten sich schlapp und ihnen war kalt.
Und schwindlig. Manchen war auch schwindlig und schwindlig konnte Zindy perfekt. Sie stellte sich vorsichtshalber in die Mitte des Küchentischs. Die langen Schlenkerarme links und rechts von sich gestreckt begann sie sich um sich selbst zu drehen, zunächst langsam, dann immer schneller und schneller. Die ersten Umdrehungen fanden noch auf der Stelle statt, doch die Kreise wurden immer größer und unkoordinierter. Bei der siebten oder achten Umdrehung torkelte sie schon gewaltig. Kurz darauf verwechselte sie ihre Füße und fiel einfach um.
Doch auch im Liegen drehte sich alles weiter und obendrein war ihr jetzt etwas übel. Das kleine Orang-Utan-Mädchen blieb ein paar Minuten ruhig auf dem Tisch liegen bis das Durcheinander in ihrem Kopf wieder einigermaßen verschwunden war. Lustig war das nicht gewesen. Sie sah zu Gerome, der nur den Kopf schüttelte, und setzte sich vorsichtig auf.
Noch immer war ihr ganz leicht komisch. Kopfschmerzen? Waren das Kopfschmerzen? Wirkte Gerome nicht etwas verschwommen? Hatte sie es jetzt etwa an den Augen? Sie sah das Stoffschaf angestrengt an und schloss dabei mehrmals kurz die Augen.
Gerome sah sie besorgt an. „Wirst du jetzt blind?“ Er rückte näher an sie heran und sah ihr prüfend in die Augen. „Kannst du mich sehen?“
Natürlich konnte Zindy Gerome sehen. Er war ja genau zwei Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Inzwischen war er auch nicht mehr verschwommen. Sie lächelte ihn beruhigend an und zog eine Grimasse.
Das wirkte. Er setzte sich wieder ans Fenster, sah sich dann aber nochmal nach ihr um. Sie winkte mit dem linken Fuß und wackelte dabei mit den Zehen. Gerome kicherte und war zufrieden.
Wenigstens der ist glücklich, dachte sie. Zindy dagegen war ziemlich enttäuscht. Sie hatte sich solche Mühe gegeben. Nichts, aber auch gar nichts klappte. Es war wie verhext. Ganz allmählich gingen ihr die Ideen aus und sie wollte doch so gerne Grippe haben.
Dann schien es so als ob sie es doch noch geschafft hatte. Urplötzlich spürte sie ein immer stärker werdendes Kribbeln in der Nase. Vielleicht bekam sie ja jetzt einen Niesanfall und musste siebzehn vier einundzwanzig Mal niesen. Dann war das in jedem Fall die Grippe. Dummerweise hatte sich aber nur eine Staubflocke kurz an ihre Nase geheftet und flog schon weiter zu Gerome.
Genau in diesem Moment betrat Kisha die Küche um sich noch etwas Tee aus der großen Thermoskanne zu holen, die Oma Charlotte vorhin gebracht hatte. „Na, Zindy, da bist du ja“, krächzte sie. „Geht es dir auch nicht gut? Soll ich dich mit aufs Sofa nehmen?“ Mit einer dampfenden Tasse Tee in der einen und Zindy in der anderen Hand schlurfte sie schniefend und hustend ins Wohnzimmer zurück.
Draußen war einer der wahrscheinlich letzten Spätsommertage. Drinnen aber kehrte Kisha zu ihrem Sofa zurück und schlüpfte fröstelnd unter eine dicke Wolldecke. Sie wickelte sich sorgfältig ein und vergaß auch nicht Zindy zuzudecken.
„Bald geht es uns wieder besser, Zindy“, bibberte sie. „Willst du etwas heißen Pfefferminztee?“ Sie deutete auf die Tasse.
Zindy war warm genug, aber als Kisha die Tasse an ihren Mund hielt, nahm sie brav einen Schluck.
Keine Grippe hin oder her war ihr inzwischen egal. Kisha würde es in ein oder zwei Tagen wieder besser gehen und mit ihrem Menschen den Nachmittag auf dem Sofa zu verdösen war einfach wunderschön.


Lies gleich weiter: "Zindy hat die Qual der Wahl"