Zindy forever
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Zindy hat die Qual der Wahl

 

Sicher habt ihr euch schon oft gefragt, warum Zindy ausgerechnet nach Deutschland gekommen ist. Stofftiere gibt es schließlich in jedem Land. Nun, es ist wie immer im Leben: Ein bisschen Wollen, ein bisschen Zufall und ganz viel Glück. Entschieden hat es sich natürlich in der Stofftierfabrik.
All die Stofftiere, die hier das Licht der Welt erblickten, verließen früher oder später die Fabrik und sie zogen nicht nur ein oder zwei Häuser weiter. Nein, sie wurden auf ganz viele Länder in Europa verteilt. Manche kamen nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz. Andere landeten in Frankreich, Italien oder Spanien und wieder andere fuhren sogar auf einem Schiff nach England, Schweden, Norwegen oder Island, denn Stofftiere werden überall gebraucht. Sei es zum Liebhaben, Knuddeln, Reden oder Trösten.
Wie viele Tiere wohin verschickt wurden hing von den Bestellungen ab, die im Büro der Stofftierfabrik eingingen. Welches einzelne Kamel, Pferd oder sonstiges Stofftier letztendlich wohin gelangte überwachte natürlich niemand anderes als das Schwein Was-auch-immer.
Eigentlich war der Bär Kenn-ich-auch-nicht der Boss im Lager der Fabrik, doch war er viel zu gutmütig um zum Beispiel Streitigkeiten um den letzten Platz in einer Lieferung in ein bestimmtes Land zu schlichten. Kenn-ich-auch-nicht sah seine Aufgabe mehr darin, die Stofftiere auf die Welt vorzubereiten. Er wusste alles über die Menschen. Er verfügte über umfangreiches Wissen zu jedem Land und dessen Besonderheiten. Er kannte die speziellen Eigenschaften der verschiedenen Tierarten und wie diese zum eigenen Vorteil eingesetzt werden konnten. Den Ärger überließ er lieber dem Schwein Was-auch-immer.
Der Bär erklärte gerne. Er war es auch, der zum Schutz der Stofftiere die Stofftierregeln formuliert hatte. Was-auch-immer dagegen liebte es zu kommandieren und das letzte Wort zu haben. Zwischen diesen beiden Extremen wurden alle Stofftiere in ihren ersten Lebenstagen hin- und hergerissen.
So war es als Zindy an ihrem ersten Tag erfuhr, dass sie ein Orang-Utan war und was ein Orang-Utan war. Liebevoll erzählte Kenn-ich-auch-nicht wie großartig Orang-Utans waren und was sie so besonders machte. Zindy hatte sich danach gleich selbst unheimlich toll gefunden.
Dann war Was-auch-immer gekommen und hatte ihr ohne Umschweife und Möglichkeit zur Widerrede ihren Namen mitgeteilt. Zindy. Punkt. Fertig.
Zindy fand es eigentlich ziemlich cool. daß sie ein Orang-Utan war. Sie liebte ihr orangefarbenes, leicht zotteliges Fell und die langen Schlenkerarme waren mehr als praktisch. Auch mit ihrem Namen konnte sie gut leben. Als es aber ein paar Tage später darum ging, in welches Land sie kommen sollte, wollte sie schon etwas mitreden.
Einige Länder standen zur Auswahl, denn die Fabrik erhielt ihre Bestellungen aus ganz Europa. Neben der Tür hing eine Landkarte. Hier steckte in jedem Land, das beliefert wurde, eine Nadel mit der jeweiligen Nationalflagge.
Immer wenn der Bär ein neues Land vorgestellt hatte, begaben sich die meisten Stofftiere zu dieser Karte um nachzusehen, wo es genau lag. Gab es Berge? Lag es am Meer? War es eher warm oder eher kalt?
Keinen wunderte es, daß es die Pinguine und Eisbären eher nach Finnland, die Kamele dagegen nach Spanien zog. Auch in den anderen Boxen hatten die meisten Stofftiere ein Wunschland.
Zindy war es egal, wie das Wetter war. Sie wollte es nur schön haben mit einem netten Menschen und leckerem Essen.
Xanti und Yves, die am gleichen Tag wie sie in die Sammelbox für Stoff-Orang-Utans gekommen waren, hatten dagegen ganz klare Vorstellungen.
Xanti, die sich über den Gang mit einer Kuh angefreundet hatte, schwärmte nur noch von der Schweiz. „Die Berge sind hoch und das Gras sooo grün.“ Zindy meinte fast die Kuh zu hören. „Und es gibt Käse und Schoki und ein Echo. Du rufst ‚Xanti‘ und es schallt ‚Anti, Anti, Anti‘ zurück.“
Yves dagegen wollte nach Frankreich. „In Froonkreisch gibt es das beste Essen der Welt. Pari ist die Auptstadt der Modä und die Damen sind besonders übsch.“ Seit er dorthin wollte sprach Yves nur noch durch die Nase und vergaß dabei immer mehr Buchstaben. Zindy fand das etwas doof.
In der Löwenbox wollten viele nach England, die Bären eher nach Sibirien. Die Eulen schuhuten in den höchsten Tönen von Athen in Griechenland und wer gar nichts wusste, sagte meist Italien.
Nur Zindy war anscheinend völlig unentschlossen. Einen ganzen Tag lang erzählte Kenn-ich-auch-nicht alle halbe Stunde von einem anderen Land. Dazu noch die Stofftierregeln, das Zählen, und, und, und. Kein Wunder, daß sie irgendwann nur noch Faxen machte. Sie turnte so übermütig auf dem Rand der Orang-Utan-Box herum, daß sie das Gleichgewicht verlor und zwei Etagen tiefer mitten in die der Faultiere fiel.
Sehr zum Missfallen von Was-auch-immer. Es zeigte mit dem Lineal auf sie. „Dich sollte man nach Germany schicken. Deutschland. Da herrscht noch Ordnung, Disziplin und Sauberkeit.“ Es rollte mit den Augen. „Deine Flausen treiben die dir da schon aus.“
„Schörmänie“, kicherte Zindy frech. „Schörmänie geh i ned hi.“ Aber ganz wohl war ihr dabei nicht. Was war dieses Schörmänie nochmal für ein Land gewesen? „Ich geh hin, wohin ich will und bestimmt nicht in dieses blöde Schörmänie!“
„Wieso nicht?“ murmelte es leicht gepresst unter ihr. „Germany ist gar nicht so schlecht.“
Zindy schob ihren Popo etwas zur Seite um zu sehen, wer da sprach.
„Daaanke“, gähnte eines der Faultiere. „Du bist mir nämlich genau aufs Gesicht gefallen.“
„Du bist aber kein Faultier“, stellte ein anderes fest. „Was suchst du dann in unserer Box?“
„Du Dummerchen“, schmatzte ein drittes Faultier im Halbschlaf. „Das ist doch das vorwitzige Orang-Utan-Mädchen aus dem zweiten Stock. Zindy, nicht wahr?“
Zindy nickte begeistert. Man kannte sie hier. Cool.
Das Faultier drehte sich um. „Du musst Heiner entschuldigen. Er ist neu hier.“
Ein Lineal tauchte plötzlich vor Zindys Gesicht auf. „Und der Affe in der falschen Box.“ Was-auch-immer wedelte mit dem Lineal. „Hier herrscht Ordnung. Zurück nach oben. Zack, zack.“
Missmutig machte sich Zindy auf den Weg. Gerade jetzt, wo es lustig wurde.
„Und ab sofort bleibt jeder, wo er hingehört!“ Streng sah ihr das Schwein hinterher. „In einer Stunde steht Wiederholung beim Zählen auf dem Stundenplan.“ Dann zog es ab.
„Stofftierregeln doof. Zählen lernen doof. Schörmänie doof“, maulte Zindy vor sich hin während sie über den Rand in die Orang-Utan-Box zurückkletterte.
„Germany ist aber wirklich nicht schlecht“, kam es dieses Mal aus der Box unter ihr.
Zindy streckte ihren Kopf wieder nach draußen und sah hinunter. Direkt unter ihrer Box befand sich eine, in der es sehr ruhig zuging. Nicht, weil dort ständig geschlafen wurde, sondern deshalb, weil die Seelöwen einfach gemütliche Gesellen waren.
„Bei uns steht Deutschland ganz weit oben auf der Wunschliste. Ja, dort ist es sauber und ordentlich, aber es gibt dafür auch fast alles: Berge, Wälder und Meer. Schnee im Winter und Sonne im Sommer. Und die Menschen sind verlässlich und treu. Wenn sie sich für dich entschieden haben, halten sie für immer zu dir egal ob du ein Einhorn, eine Katze oder nur ein alter langweiliger Seelöwe bist.“
„Da will ich auch hin“, flüsterte es von unten. Heiner aus der Faultierbox streckte ebenfalls seinen Kopf heraus und sah mit verträumten Blick nach oben.
Auch Zindy hatten die Worte des Seelöwen nachdenklich gemacht. Verwirrt zog sie sich in eine Ecke zurück.
Dort saß sie auch noch als Was-auch-immer eine Weile später wieder zurückkehrte. „Achtung. Planänderung. Die neuen Bestellungen sind da. Dieses Mal ist was nach Frankreich, Deutschland, Schweden, England und in die Schweiz dabei“ Mit seinem Lineal zeigte das Schwein nacheinander auf die entsprechenden Markierungen auf der Landkarte.
In den einzelnen Stofftierboxen wurde es etwas hektisch, denn die meisten Tiere wollten noch einmal einen Blick auf die Karte werfen. Wo lag nochmal jedes dieser Länder?
Zindy wurde ein wenig hin- und hergeschoben, schaffte es aber schließlich sich nach vorne zu drücken. Als ob er ihr ein Zeichen geben wolle fiel genau in diesem Augenblick ein Sonnenstrahl auf eines der Fähnchen und ließ es hell erstrahlen. Nicht blau-weiß-rot, nicht blau-gelb und auch nicht rot-weiß. Nein, schwarz, rot und vor allem golden.
„Ihr wisst, wie es abläuft.“ Das Schwein hatte das Lineal gegen eine Liste eingetauscht. „Die Kisten stehen schon auf dem Boden. Wenn ihr sie nicht passend befüllt, dann schnappen sich die Arbeiter einfach das nächstbeste Stofftier und werfen es rein.“
Zindy hatte das Gefühl, daß das Schwein damit sie ansprach. Sie schluckte.
„Kiste 1 geht in die Schweiz. Zehn Eulen, zehn Kühe, fünf Orang-Utans, …“
Mehr hörte Zindy nicht, denn mit einem lauten „Hier, hier!“ stürmte Xanti an ihr vorbei und sprang kopfüber in ihre Wunschkiste.
Auch die Kisten 2 bis 4 waren schnell gefüllt, wobei Yves auf dem Weg in die Kiste nach Frankreich vor Aufregung erst einmal in die nach Schweden fiel. Die Elche schubsten ihn aber freundlicherweise weiter.
Und dann kam sie. Kiste 5. Deutschland. Germany.
„Vierzig Eulen. Zwanzig Einhörner. Zwanzig Hunde. Je zehn Elefanten, Löwen, Giraffen, Pferde und Katzen. Fünf Orang-Utans und fünf Seelöwen.“ Was-auch-immer rollte die Liste zusammen.
„Faultiere?“ kam es fragend von unten. Zindy erkannte Heiners Stimme.
Was-auch-immer hatte wohl einen Anflug von Nettigkeit. „Dieses Mal nicht. Vielleicht morgen.“ Dann kontrollierte es die Kisten und entdeckte Zindy, die es sich gerade auf einer Eule gemütlich machte. „Germany. Ordnung und Disziplin“, grinste es hämisch und schob den Deckel zu. „Viel Spaß!“
Zwei Tage später erreichte Kiste 5 mit einer völlig überdrehten Zindy ihr Zielland. Das war also Schörmänie, dachte Zindy aufgeregt. Sie fand, daß hier alles anders aussah, obwohl sie das in ihrer Kiste im Laderaum eines LKWs gar nicht sehen konnte,
Wo würde sie wohl landen? Wer würde sie haben wollen? Und wie lange würde das dauern?
Aber das, das wisst ihr ja schon. 


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