Zindy forever
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Zindy auf dem Rummel

 

 

Wenn Zindy schon früher gewusst hätte, was ein Rummel ist und wieviel Spaß man dort haben kann, wäre sie schon längst einmal mitgegangen. Rummel war für sie ein überfülltes Bierzelt, in dem durstige Menschen zu Humtata-Volksmusik schunkelten. Darum hatte sie ihn bisher auch gemieden.
Das sie heute ihren ersten besuchte war auch eher Zufall. Sie hatte auf dem Sofa gedöst und als Kisha ihren kleinen Rucksack packte, hatte sie neben Geldbeutel, Handy und dünnem Pulli den kleinen Stoff-Orang-Utan ganz automatisch mit eingesteckt, und deshalb fand sich Zindy jetzt auf dem Rummelplatz wieder.
Es war Spätnachmittag und das Gelände begann sich langsam zu füllen. Durch den Eingang strömten die Menschen in kleinen Gruppen herein und freuten sich auf Fahrgeschäfte, Süßigkeiten und Schieß- und Losbuden. Vereinzelt hatten die Schausteller schon die bunten Lichterketten und Leuchtreklamen angeknipst. Zindy sah, den Kopf wie so oft aus dem Rucksack heraussteckend, nach links und rechts und fand es einfach nur herrlich.
Sie entdeckte ein Kettenkarussell, eine Geisterbahn und ein Riesenrad, verschiedene Fahrgeschäfte für kleine Kinder und irgendein Wirbelding, für das man anscheinend extrem tapfer sein musste und vorher nichts essen sollte. Dann konnte man auf Papphüllen schießen, Enten angeln, Ringe werfen und natürlich Lose ziehen. Und überall roch es nach leckerem Essen, nach Schokospießen, Waffeln, Pommes Frites, gebratenen Mandeln und Zuckerwatte.
Kisha hatte sich mit Nina am Kettenkarussell verabredet. Später wollten die beiden dann noch Ludwig und einen Freund von ihm treffen. Zuerst einmal aber kauften sich die beiden ein Ticket für eine Fahrt mit dem luftigen Gefährt. Zindy, die hinten im Rucksack quasi rückwärts mitfahren musste, fand es lustig und wild zugleich, war aber froh, dass sich Kisha erst nach der Fahrt eine Zuckerwatte kaufte. Ihr war nämlich kurz ein wenig schwummrig und sie wollte nicht wissen, wie das mit vollem Magen ausgegangen wäre. So aber konnte sie sich doch zwei Handvoll gönnen, denn Kisha zog es im enger werdenden Getümmel vor ihren Rucksack vor dem Bauch zu tragen.
Sie schlenderten an einem Stand mit Luftballons und Lebkuchenherzen vorbei, schauten kurz zu wie ein Mann mit immer röter werdenden Kopf versuchte seiner Freundin eine Rose zu schießen und blieben schließlich vor einem großen, halbseitig geöffneten Truck stehen, der zu einer Losbude umgebaut worden war.
Innen war auf unendlich langen Regalbrettern alles mit Gewinnen vollgestopft, außen standen Verkäufer, die die dazu benötigten Lose mit teils lustigen, teils albernen Sprüchen an den Mann oder an die Frau zu bringen suchten.
Auf manchen Regalen saßen auch Stofftiere. Sie waren aber nicht so liebevoll platziert worden wie im Kaufhaus oder gar im Spielzeugladen, sondern waren einfach irgendwie reingestopft worden.  Noch schlimmer stand es in den auf dem Boden stehenden Boxen. Da wurden die Stofftiere achtlos hineingeworfen, bei Bedarf gepackt und ausgegeben oder vielleicht doch wieder gleichgültig zurückgeworfen, und das nicht nach Tierart sortiert wie in der Stofftierfabrik. Nein, Kühe lagen neben geöffneten Panthermäulern und Elefanten bohrten ihre Stoßzähne in Hasenohren. Ganz schlimm war es gar an der Decke des Trucks. Dort hatte man einfach ein paar größere Stofftiere an Schnüren aufgehängt.
Ein pinkfarbenes Alpaka schaukelte einsam hin und her. Sein trauriger Blick traf sich mit dem neugierigen von Zindy. „Eigentlich bin ich ein Hauptgewinn. Manchmal will mich ein Kind auch haben. Aber die Eltern finden mich doof“, flüsterte es. „Sie wöllen lieber den Grill, obwohl der gar nichts taugt und man mit ihm auch nicht kuscheln kann.“
Das Alpaka wirkte so unglücklich, dass Zindy sich fast ein wenig schämte, weil sie es mit Kisha so gut getroffen hatte.
„Du hast so ein Glück“, seufzte das Alpaka. „Tag für Tag ist es für mich dasselbe: Will mich ein Kind haben? Kaufen die Eltern Lose? Gewinnen sie? Und nehmen sie mich dann auch?“ Es seufzte noch tiefer. „Wenn mich bis zum Wochenende keiner aussucht, geht es zurück in den Karton und dann weiter zum nächsten Rummel, wo es wieder hier oben bei Wind und Wetter warten heißt.“
Zindy bekam leicht feuchte Augen. Das wollte sie nicht. Und so beschloss sie dem Alpaka zu helfen. Nur wie?
Neben ihr kaufte gerade ein Pärchen mit einem Kindergartenkind einige Lose. Während die Eltern eifrig am Öffnen waren, quietsche das kleine Mädchen nur immer „Pinky, Pinky!“ und reckte dabei seine kurzen Hände nach dem pinken Alpaka.
„Ach, Annabelle“, seufzte die Mutter. „Was willst du denn damit? Mama hat dir doch so eine schöne Puppe gehäkelt.“
„Wahrscheinlich wird es eh nichts Größeres als Buntstifte“, sagte der Vater. „Man braucht sehr, sehr, sehr viel Glück.“ Um es zu beruhigen gab er dem Kind ein Los. „Dann hat sie auch was zum Aufmachen“, meinte er zu seiner Frau, „und ist friedlich.“
„Ja, oder sie reißt es einfach nur durch und wir haben fünfzig Cent verschenkt.“
Doch das tat Annabelle mitnichten. Ganz im Gegenteil, sie öffnete das Los sehr sorgfältig und hielt es dann ihrem Vater hin. „Pinky“, erklärte sie bestimmt.
Der sah erst das Los, dann seine Tochter und schließlich seine Frau an. „Sie hat tatsächlich „Freie Auswahl“ gezogen.“ Völlig perplex hielt er seiner Frau das Los unter die Nase. „Da, schau!“
„Pinky“, strahlte Annabelle.
„Was meinst du?“ Vorsichtig wandte sich der Mann an seine Frau.
Aber wir wollten ihr doch nur pädagogisch wertvolles Spielzeig kaufen“, sagte sie entsetzt. „Klangspiele. Baumrindenbausteine. Jutelernbücher. Was soll sie dann damit?“ Gestelzt deutete sie mit dem Finger auf das Alpaka. „Chinachemie in Reinkultur.“
„Ich komme doch aus der Stofftierfabrik“, hauchte das pinkfarbene Alpaka. „In Europa.“
Zindy wusste noch immer nicht, wie sie ihm helfen sollte. Da kam ihr völlig überraschend Kisha zu Hilfe. Auch die hatte die Diskussion verfolgt und schritt nun zur Tat.
Sie trat zu dem Paar heran, das sich schon halb für einen Tischgrill entschieden hatte, weil der doch so praktisch und mal etwas anderes ist, und begann mit Nina, die gar nicht wusste wie ihr geschah eine für sie recht laute Unterhaltung.
„Letztes Jahr hat mein Vater auch so einen Tischgrill genommen. Schon beim zweiten Mal ist etwas abgebrochen. Mama hat sich dann einen vernünftigen zum Geburtstag gewünscht“, versicherte sie Nina und schielte dabei zu dem Paar.
Nina war nur kurz durcheinander. „Wir haben mal einen Schnellkochtopf gewonnen. Reinigen? Schrecklich. Und von schnell konnte auch keine Rede sein.“
Natürlich bekam das Paar ihre Unterhaltung mit und die zeigte auch die gewünschte Wirkung. „Einmal das rosa Alpaka, bitte“, entschied er und brachte damit seine Tochter zum Jubeln.
Kisha zwinkerte der kleinen Annabelle zu und Zindy dem Stofftier. Dann strahlte sie Kisha an, die das aber gar nicht bemerkte.
Dem kleinen Stoff-Orang-Utan war mit einem Mal völlig egal, was jetzt noch weiter geschah. Karussell, Geisterbahn, Pommes Frites, mehr Zuckerwatte, ja, selbst eine Schokobanane war zur Nebensachte geworden. Sie war einfach nur selig zu Kisha zu gehören. Irgendwie hatte sie es schon immer gewusst. Ihr Mensch war der allerbeste. Denn dank ihr hatte jetzt ein weiteres Stofftier ein neues Zuhause. 


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