Zindy forever
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Zindy bittet zum Tanz


Keine Hüfte? Zindy verstand nicht, was da gesagt wurde. Keine Hüfte? Die Hüfte war doch eher zu groß. Brauchte der Mann hinter dem Tisch etwa eine Brille so wie Oma Charlotte neulich?
Das kleine Stoff-Orang-Utan-Mädchen räkelte sich auf ihrem liebsten Kissen und schob ihren Po dabei etwas mehr nach links. Neben ihr auf dem Sofa saßen Oma Charlotte, Mama Kathrin und Kisha und kommentierten das, was da auf dem Bildschirm geschah, mindestens genauso fachmännisch wie die dreiköpfige Jury im Fernseher.
Unten bei den Knirpsen lief mal wieder irgendein furchtbar wichtiges Fußballspiel, das Papa Daniel und Niklas unbedingt sehen mussten, und so waren Mama Kathrin und Oma Charlotte nach oben zu Kisha gekommen, wo die drei eine weitere Folge ihrer Lieblingstanzshow „Let’s dance“ ansahen.
Auf dem Wohnzimmertisch standen Getränke und Knabberzeug, das hauptsächlich Kisha und Zindy interessierte. Mama Kathrin und Oma Charlotte waren viel zu sehr mit den Darbietungen der einzelnen Teilnehmer beschäftigt. Lediglich die Flasche Wein, die Oma Charlotte aus ihrem Vorrat mitgebracht hatte, genossen die beiden nebenbei. Für die Chips hatten sie dagegen keine Zeit. Kisha schon und die vielen Brösel, die sie verlor, saugte Zindy in unbeobachteten Momenten auf wie ein Staubsauger.
Derweil versuchten sich auf dem Bildschirm mehr oder weniger begabte Prominente an Standardtänzen. Manche stellten sich gar nicht ungeschickt an, aber manche waren derart aus dem Takt, dass selbst ihre Profitanzpartner nichts retten konnten.
Bewertet wurden sie von einer Jury und das war ab und zu nicht schön für die Tänzer. Die Frau in der Jury war eher nett in ihrem Urteil und gab Tipps für das nächste Mal. Einer der beiden Männer war früher selbst Profitänzer gewesen. Sein Urteil war sehr gefürchtet. Knallhart sagte er den Teilnehmern, was sie falsch gemacht hatten.
Zindy fand ihn schlimm. Sie jedenfalls wollte nicht von ihm bewertet werden. Da war ihr der andere Mann schon um einiges lieber. Er hieß Horhe oder Chorche oder so ähnlich, trug immer lustig-verrückte Verkleidungen und sprach ebenso sonderbar wie seinerzeit Yves in der Stofftierfabrik. Und außerdem hatte er öfters Bananen dabei.
Ob Fersen- oder Ballenschritt war Zindy eigentlich völlig egal. Für sie musste es nur schön aussehen. Gerade tanzte jemand Tango und das so schlecht, dass ihr die Füße zuckten. Das könnte ja selbst das Schwein Was-Auch-Immer besser, schoss es ihr durch den Kopf. Wie selbstverständlich streckte sie den linken Arm aus, warf dabei den Kopf in den Nacken und erschrak sogleich über sich selbst.
Sie war in Gegenwart von Menschen. Da konnte sie doch nicht so einfach auf dem Sofa herumtanzen. Leicht panisch schielte sie zu den Damen.
Die hatten aber zum Glück nichts bemerkt. Kisha tippte auf ihrem Handy. Mama Kathrin nahm sich nun doch ein paar Chips und Oma Charlotte schenkte Wein nach.
„Für mich nur noch ein halbes Glas, Mama“, bremste Mama Kathrin Oma Charlotte. „Ich mache dann lieber mit Wasser weiter.“
Oma Charlotte zuckte mit den Schultern. „Wie du willst. Dann bleibt mehr für mich“, gab sie zurück und füllte ihr eigenes Glas großzügig.
„Du schlägst heute aber ganz schön zu“, grinste Kisha von der Seite.
„Ach was“, winkte Oma Charlotte ab. „Das bisschen Wein. Und wenn ihr nicht mittrinkt. Soll der Wein denn verkommen?“ Sprachs und nahm gleich noch einen großen Schluck. „Haltet ihr euch nur an das Knabberzeug. Und Ruhe! Jetzt kommt die Bewertung. Das gibt bestimmt einen Verriss.“
Der lustig sprechende Mann und die Frau waren noch verhältnismäßig gnädig. Aber der Exprofitänzer bescheinigte dem Prominenten eine geradezu erschreckende Talentfreiheit. „Selbst ein Nilpferd bewegt sich geschmeidiger“, war sein vernichtendes Urteil.
Zindy konnte ihm nicht ganz zustimmen. Für sie hinkte der Vergleich gewaltig, hatte sie doch in der Stofftierfabrik nicht nur Nilpferde, sondern auch Gürteltiere und sogar Schnecken tanzen sehen. Selbst Bruno würde die Schritte nach einer Stünde üben besser hinbekommen und der war bekennender Nichttänzer. Sie selbst hätte dem Promi natürlich sogar noch im Halbschlaf und mit vollgefressenem Magen zeigen können, wie man einen Tango Argentino aufs Parkett legt. Spitze, Ferse, Spitze, Ferse. Seitschritt, Wiegeschritt, Promenade. Stolz gereckter Kopf. Leicht überheblicher Blick. Zindy stand perfekt im Arm ihres imaginären Tanzpartners und vollzog eine erste Drehung.
„Wow. Habt ihr das gesehen?“ schrie Kisha begeistert auf. „Was für eine Performance!“
Zindy zuckte heftig zusammen, gefror augenblicklich zu Eis und fiel um wie ein Stein.
Wie hatte ihr das passieren können? Sich vor Menschen bewegen? Nur weil sie mal wieder angeben wollte, würde Was-Auch-Immer sagen.
Erst als nichts weiter geschah, wurde ihr bewusst, dass Kisha gar nicht sie gemeint hatte. Die deutete zum Fernseher, wo ihr Favoritenpaar gerade eine durchaus gelungene Vorstellung gab. Auch Mama Kathrin und Oma Charlotte waren von dem Geschehen auf dem Bildschirm angetan.
„Wenn jetzt nicht dreimal die Zehn kommt, weiß ich auch nicht“, sagte Mama Kathrin.
Zindy hätte vor Erleichterung beinahe losgekichert, beherrschte sich aber gerade noch. Glück gehabt, Zindy, sagte sie zu sich selbst und nahm sich eisern vor, in Zukunft besser aufzupassen. Nur gut, dass ihre drei Damen für Stofftiere auf Sofakissen gerade keine Zeit hatten.
Ganz stimmte das jedoch nicht. „Für eine Sekunde dachte ich, dein Affe hätte sich bewegt, Kisha“, meinte Oma Charlotte leichthin. „Saß sie nicht vorhin auf dem Kissen?“
Zindy wurde schlecht. Kisha und Mama Kathrin aber sahen sich nur vielsagend an.
„Sicher, Oma“, gluckste Kisha. „Meine Zindy tanzt Tango, Rumba und Walzer in Perfektion.“ Sie nahm das kleine Stoff-Orang-Utan-Mädchen, das sonderbar verdreht etwas neben ihrem Stammsofakissen lag, in die Hand, drückte ihm ein Küsschen auf die Stirn und setzte es zurück auf das Kissen. „Sie ist einfach nur umgekippt. Nicht, Zindy?“
Mama Kathrin neben ihr schüttelte nur den Kopf. „Vielleicht solltest du jetzt auch lieber auf Wasser umsteigen, Mama“, war ihr knapper Kommentar.
Die tat gespielt beleidigt. „Ist doch erst das dritte Glas, Kind. Vor dem fünften spüre ich gar nichts.“ Dann sah sie wieder zum Fernseher. „Passt lieber auf! Das nächste Paar ist schon an der Reihe.“
Wie die drei konzentrierte sich auch Zindy wieder auf die Darbietung auf der Tanzfläche. Die Chips hatte sie für den Rest des Abends von ihrer persönlichen Liste gestrichen und tanzen würde sie heute gewiss auch nicht mehr. Das konnte sie ja morgen machen, wenn sie wieder alleine war.
Für heute aber hielt sie ihre Füße mit ihren Händen fest, damit auch ganz sicher nichts mehr geschah.
Okay. Ab und an wackelte der eine oder andere Zeh kaum merklich. Das fiel jedoch außer Gerome keinem auf und der war verschwiegen wie ein Grab.


Lies gleich weiter: "Zindy kauft einen Weihnachtsbaum"