Zindy forever
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Zindy besucht eine Apotheke 

 

Zindys Verhältnis zu Mama Kathrin hatte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten spätestens seit der Sache mit dem Ehering deutlich gebessert. Sie wurde von ihr zwar nicht jeden Tag geknuddelt, aber immerhin lächelte sie inzwischen ab und an leicht, wenn sie Zindy sah.
Als Kisha und Niklas noch klein waren, war Mama Kathrin nicht zur Arbeit gegangen. Aber nun, da die beiden größer waren und auch Oma Charlotte sozusagen mit im Haus wohnte, ging sie wieder halbtags ihrem Beruf nach. Sie war Potekerin hatte Zindy mitbekommen. Der kleine Stoff-Orang-Utan wusste zwar nicht ganz genau, was das war, nur daß sie da in einer Poteke tat. Zindy war der Ansicht, daß sich das viel spannender anhörte als das, was Papa Daniel tat. Der war Stadtkämmerer. Zindy wusste, daß das nichts mit kämmen und bürsten zu tun hatte. Das taten Friseure. Nein, er bewachte und verteilte das Geld an alle in der Stadt und dies schien sehr wichtig zu sein. Da aber Zindy kein Geld brauchte, sollte er es ruhig an die anderen verteilen. Sie würde inzwischen Hilfspotekerin sein.
Mama Kathrin nahm zur Arbeit immer eine richtig große Tasche mit. Das war gut für Zindy. In einem unbeobachteten Moment während des gemeinsamen Familienfrühstücks schlüpfte sie rasch von Kishas kleinem Rucksack in die Tasche und machte es sich dort gemütlich. Zwischen Frauenkrimskrams, einem kleinen Schirm, einem Tuch, diversen Schlüsseln, einer Sonnenbrille, Geldbörse, einer Dose mit etwas kleingeschnittenem Obst und einer Packung Papiertaschentücher gut versteckt beendete der kleine Stoff-Orang-Utan erst einmal sein Frühstück und ließ sich dann bequem zur Poteke tragen.
Dort angekommen wurde das Stofftierbeförderungsmittel in einem hübschen kleinen Nebenraum abgestellt. Zindy beobachtete wie Mama Kathrin ihre dünne Jacke gegen einen weißen Kittel tauschte. Sie verstaute die Obstdose in einem Kühlschrank und verließ dann den Raum.
Zindy äugte erst einmal vorsichtig aus der Tasche. Die Luft war rein. So hopste sie heraus und sah sich weiter um. Offensichtlich war das hier das Kücheessenumkleidezimmer. Es gab mehrere, teils offene Schränke, in denen die Mitarbeiter ihre Sachen verstauen konnten, eine kleine Küchenzeile mit Herd, Spüle, Mikrowelle und Kühlschrank und in der Mitte einen Tisch mit Stühlen. Es wirkte alles so gemütlich, daß Zindy gleich klar war: Gearbeitet wurde woanders.
Sie sah noch kurz sehnsüchtig zu der auf dem Tisch stehenden Schale mit Trauben, drehte dann aber ab. Sie war schließlich zum Helfen mitgekommen.
Der Raum lag am rückwärtigen Ende eines schmalen Gangs. Links und rechts gab es ein paar Türen, zum Teil offen, zum Teil aber auch verschlossen. Ganz am anderen Ende des Gangs befand sich ein heller Raum, aus dem mehrere freundliche Stimmen zu hören waren. Zindy machte sich sofort auf den Weg dorthin, wobei sie geschickt Schränke und herumstehende Kartons als Deckung nutzte. Dorthin unterwegs ließ sie es sich jedoch nicht nehmen in jeden offenen Raum zu linsen. Zwei davon waren definitiv Lagerräume während in einem dritten Tische mit sonderbaren Apparaturen standen.
Der kleine Stoff-Orang-Utan hoffte, daß Mama Kathrin dort später etwas zu tun haben würde, denn das sah interessant und gefährlich zugleich aus. Jemand hatte an die Tür einen Schädel mit zwei Knochen geklebt, was diesen Eindruck noch verstärkte.
Zindy schaffte es ohne entdeckt zu werden in den hellen Raum. Hinter ein paar Schachteln verborgen, die – wie sie später erfuhr – Schmerzsalben enthielten, suchte sie Mama Kathrin.
Die stand gerade neben einem lustigen älteren Herren und hielt ein kleines Gerät in der Hand. Zindy erkannte es sofort, denn auch Oma Charlotte hatte so eines. Man maß damit den Blutdruck. Meist kamen dabei lustige Zahlen zu Tage wie „Siebentausend zu Vier“. Sagte man „Oh!“ war der nicht so gut und bei „Ohoh!“war er gar nicht gut. Oma Charlotte sagte aber meistens „Läuft!“. Zindys eigener Blutdruck war bei Null – ein Spitzenwert für ein Stofftier.
Der lustige Mann hatte einen Oh-Blutdruck und erhielt deshalb von Mama Kathrin eine kleine Schachtel mit sehr kleinen rosa Bonbons.
Mama Kathrin sah sehr seriös in ihrem weißen Kittel aus. Immer wieder neue Menschen betraten die Apotheke und sie bediente alle freundlich und gewissenhaft. Mal gab es nur ein paar Hustenbonbons, etwas Erkältungstee oder Pflaster mit Dinosaurierbildchen. Dann aber ging es um die unterschiedliche Zusammensetzung von Wirkstoffen und ihren Wechselwirkungen und sie erklärte alles kompetent und verständlich.
Und endlich kam auch jemand mit einem Rezept, für das man in den Totenkopfraum musste.
Zindy folgte Mama Kathrin in sicherem Abstand dorthin.
Die holte verschiedene Pulver, Wasser, eine Waage und etwas, das wie ein Vasenglas aussah und dann begann sie zu wiegen, zu mischen und zu schütteln. Sie erwärmte auch etwas über einer blauen Flamme. Der kleine Stoff-Orang-Utan wollte ihr gerne helfen, hatte aber Angst, daß sie unter Umständen das falsche Pulver benutzte und dann alles explodierte. Mama Kathrin hob nämlich ein Pulverpäckchen hoch und las noch einmal die Aufschrift. Das Päckchen kam in den Schrank zurück und ein anderes wurde stattdessen herausgeholt.
„Doppelt geprüft ist immer besser“, murmelte sie und mischte das neue Pulver unter. „Wie gut, daß es zwar falsch eingeräumt, aber richtig beschriftet gewesen war. So ist alles noch einmal gut gegangen.“
Zindy erschrak ein wenig. Für sie hatten beide Pulver gleich ausgesehen. Zum Glück konnte wenigstens einer von ihnen beiden lesen.
Noch ein weiteres Mal schütteln, noch ein weiteres Mal umrühren und dann kam das Gemisch in eine weiße Dose mit rotem Deckel. Mama Kathrin brachte noch ein Etikett auf der Seitenfläche an und schon war auch dieser Kunde glücklich und verließ zufrieden die Apotheke.
Den Rest des Vormittags war Zindy sehr beschäftigt. Sie schob verschiedene Schachteln zurecht, drehte an Flaschen die Etiketten nach vorn und drückte nicht ganz geschlossene Schubladen und Schranktüren zu. Einmal wurde es dabei richtig brenzlig.
Eine Frau betrat die Apotheke. Ihr folgte missmutig hinterher schlurfend der ziemlich dumm dreinblickende Junge. Zindy erkannte ihn sofort und er sie auch. Zindy schlüpfte noch rasch hinter einen Stapel Fieberthermometer, hatte dabei aber so viel Schwung, daß gleich zwei davon herunterfielen.
Der Junge näherte sich dem Regal mit der sich versteckenden Zindy. „D… der Affe ist wieder da“, stammelte er, schlug sich dann aber schnell die Hand vor den Mund.
Doch seine Mutter hatte ihn schon gehört. „Heb das auf!“ schimpfte sie mit ihm und deutete auf die Fieberthermometer ehe sie sich mit ihrem Rezept an Mama Kathrin wandte. „Er hat seit drei Tagen Fieber“, entschuldigte sie sich bei ihr.
„Ich empfehle die Zäpfchen“, meinte Mama Kathrin. „Die helfen immer sehr schnell und sind gut verträglich.“
„Und etwa Rizinusöl“, ergänzte Zindy. Aus einem Film wusste sie, daß das durchschlagenden Erfolg brachte. Da sie aber eine gewissenhafte Hilfskraft war, steckte sie keine entsprechende Flasche zu den anderen Medikamenten in die Tüte.
Stattdessen schwang sie zu dem Raum mit Mama Kathrins Tasche zurück. Sie nahm sich eine wohlverdiente Traube und wurde bald darauf wieder zurück nach Hause getragen.
Gerome wartete schon gespannt auf ihre Rückkehr. „Und? Wie war es in der Poteke?“ fragte er kaum daß sie neben ihm auf dem Sofa saß.
„Es heißt nicht Poteke“, erklärte ihm Zindy. „Es heißt Apotheke.“
Und dann begann sie zu erzählen.


Lies gleich weiter: "Zindy und das Lesen und Schreiben"