Zindy forever
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Zindy kauft eine Brille

In letzter Zeit hatte Oma Charlotte ab und an das Gefühl gehabt, dass sie trotz ihrer Brille etwas schlechter sah. Was lag da also näher als beim Optiker ihres Vertrauens einen Termin auszumachen. Der sollte ihre Augen mal überprüfen und ihr dann – falls nötig – eine neue Brille anfertigen. Die Gläserstärke sollte immer passen und ein schickes modisches Gestell dazu konnte auch nicht schaden. Schließlich wollte man ja gut aussehen.
Eigentlich hatten Daisy und Liliana, zwei ihrer Freundinnen, zugesagt mitzukommen. Dann war aber nur Daisy aufgetaucht.
„Liliana muss überraschend ihre jüngste Enkelin hüten. Ihre Tochter muss mit der Großen zum Arzt“, erklärte sie Oma Charlotte. „Aber wir können statt ihrer dieses lustige Äffchen von neulich mitnehmen“, lachte sie. „Das kommt fast auf dasselbe raus.“
„Welches Äffchen?“ fragte Oma Charlotte verdattert.
Nun kicherte Daisy. „Na, das, das auf dem Sofa sitzt.“
Oma Charlotte blickte zu ihrem Sofa und musste erstaunt feststellen, dass da in der Tat Kishas Stoffäffchen saß. Da die und Niklas sich aber immer wieder gegenseitig Streiche spielten, wunderte sie sich nicht weiter.
Zindys Anwesenheit war aber gar kein Streich. Sie war selbst vor ein paar Minuten herunter gekommen, weil sie etwas mit Bruno, dem Bären, besprechen wollte. Fürchterlich wichtige Gängangelegenheiten, die keinen Aufschub zuließen. Doch ehe sie sich versah, war sie schwupps in Daisys Handtasche verstaut.
„Auf! Auf!“ scheuchte die Oma Charlotte. „Sonst verpassen wir noch den 10.00 Uhr Bus.“
Das wollte Oma Charlotte keinesfalls. Schließlich hatten sie einen Termin um 10.30 Uhr bei Herrn Jürgen und da wollten sie auf jeden Fall pünktlich sein.
Herr Jürgen war der Optiker von Oma Charlotte und auch der von Daisy. Beide hatten fürchterlich komplizierte Augen und Herr Jürgen war nicht nur sehr nett und korrekt, sondern konnte auch für die schlimmsten Sehfehler passende Brillengläser finden. Natürlich hatte Herr Jürgen auch einen Nachnamen, aber die beiden älteren Damen nannten ihn nur Herr Jürgen und in diesem Fall hatte der auch nichts dagegen.
Während Daisy von der nicht weniger netten Angestellten einen Kaffee bekam, durfte sich Oma Charlotte gleich auf den Behandlungsstuhl setzen. Herr Jürgen setzte sich neben sie und tauschte ihre aktuelle Brille gegen ein komisches Metallgestell aus. Auf das steckte er alle möglichen Brillenglasclips drauf und fragte dann Oma Charlotte jedes Mal „Ist es so besser oder so?“ oder „Von zwei schlechten Lösungen die bessere?“
Zindy in Daisys Tasche fand, dass es so oder so albern aussah. Oma Charlotte und Herrn Jürgen schien das aber nicht zu stören. Sie waren sich einig, dass das Bestimmen des richtigen Glases eben seine Zeit brauchte. Daisy war mit ihrem Kaffee und einer einem Magazin über das Segeln beschäftigt. So beschloss Zindy sich auf eigene Faust etwas umzusehen.
Sie schlüpfte aus der Tasche und sah zuerst bei der netten Angestellten vorbei. Die hatte mindestens neunzig neun siebenundzwanzig verschiedene Gläser für ebenso viele verschiedene Augen auf ihrem Tisch liegen. Es gab wohl Gleitsicht und Weitsicht und Fernsicht und Sonnenlichtsicht und am allermeisten Schlechtsicht. Zindy verlor jedenfalls schnell die Übersicht. Wenn es nach ihr gehen würde, wäre das Ganze viel einfacher.
Für sie gab es Gläser, da wurde alles größer.
Dann gab es Gläser, da wurde alles bunter.
Und dann gab es Gläser, da wurde ihr schlecht.
Zindy war froh, dass diese letzten Gläser nicht für Oma Charlotte bestimmt waren. Die nette Angestellte bastelte daraus eine Brille für eine junge Frau. Die Brille sollte wie ein Dutzend weitere heute an die entsprechenden Kunden verschickt werden. Deshalb kam sie in ein schickes Etui und danach zusammen mit der Rechnung in einen gepolsterten Versandkarton. Die junge Frau kannte die Angestellte anscheinend etwas besser, denn sie bekam noch ein Zusatztuch und einen Schokoriegel.
So ganz okay fand Zindy das nicht. Schließlich waren alle Kunden König. Und so legte sie – während die nette Angestellte die Adressetiketten ausdruckte – auch in die anderen Päckchen kleine Aufmerksamkeiten. Auf diese Weise erhielten manche zu ihrem Erstaunen Nasenplättchen, kleine Schrauben, ein paar Gummis, bunte Notizsticker oder ein Päckchen Taschentücher.
Oma Charlotte und Daisy waren weiter beschäftigt und so wandte sich Zindy den vielen Brillengestellen zu. Hier gab es noch mehr Auswahl als bei den Gläsern. Von die lustige Oma von nebenan über Flower-Power bis zu James Bond gab es für jeden Geschmack etwas. Zindy schleppte gerade ein besonders cooles Model zum Spiegel um sich darin zu bewundern als die Türglocke erklang und ein ihr auf den ersten Blick unsympathischer Mann das Geschäft betrat.
Ohne den Gruß der netten Angestellten zu erwidern, drückte er ihr ein arg ramponiertes Brillenetui in die Hand. „Meiner Mutter ist der Bügel abgebrochen.“
Auf die Frage, ob sie überhaupt eine ihrer Kundinnen sei, ging er gar nicht ein.
„Sie wollen eine alte Frau doch nicht ohne ihre Brille lassen?“ war sein ganzer Kommentar. „Servicewüste Deutschland. Ich warte da drüben.“
Eigentlich sollte man so jemanden vor die Tür setzen. Da die nette Angestellte aber eine sehr nette Angestellte war und seine alte Mutter nichts für das flegelhafte Benehmen ihres Sohnes konnte, nahm sie das Etui erst einmal mit in ihre Werkstatt.
Darauf hatte der Mann wohl nur gewartet. Kaum, dass sie leicht außer Sichtweite war, ging er zu den Brillengestellen. Er stellte sich jeweils so vor die Auslagen, dass er Daisy stets im Rücken hatte und nahm Dutzende von Fassungen in die Hand. Manche legte er zurück, manche auf die kleinen Ablagetische und manch eine – und hier besonders die teureren – steckte er in die Tasche seines Mantels. Weder Oma Charlotte, Daisy, Herr Jürgen noch die nette Angestellte, die an der mitgebrachten Brille zu retten versuchte, was noch zu retten war, bekamen das mit.
Zindy entging es allerdings nicht.
Beim ersten Mal glaubte sie noch an ein Versehen. Beim zweiten Mal war sie verwirrt. Als er aber beim dritten Mal ausgerechnet ihr cooles Model verschwinden ließ, war ihr klar, was hier vorging.
Der Mann war ein Dieb.
Als er bestimmt schon sieben oder acht Fassungen eingesteckt hatte, kam die nette Angestellte mit dem Brillenetui zurück. „Da ist leider nichts mehr zu retten“, sagte sie zu dem Mann. „Bringen Sie Ihre Mutti doch mal vorbei. Dann schauen wir nach einer neuen Brille.“
Hastig packte der das Etui. „Saftladen. Hab ich mir doch gleich gedacht.“ Er wandte sich zum Gehen.
Während die viel zu nette Angestellte nach dem Terminbuch griff um für Mutti doch noch einen Termin zu vereinbaren, stopfte Zindy in Windeseile alle Brillenputztücher, die sie fand, samt einem kleinen Handtuch in eine seiner Manteltaschen. Die war daraufhin so voll, dass ein paar Ecken heraushingen.
„Sie verlieren gleich etwas, junger Mann“, meinte Daisy, die das Gespräch mitbekommen hatte. „Da. An ihrer linken Manteltasche.“ Sie fasste hin und zog zwei Tücher zugleich heraus und zu Zindys –Freude fiel daraufhin auch eine Brillenfassung zu Boden.
Der Mann, Daisy und die nette Angestellte blickten gleichermaßen erstaunt auf das Gestell.
„Wie kommt denn das da rein?“ tat er verwundert und suchte den Weg zur Tür.
Doch die nette Angestellte war viel schneller als er. Mit zwei Sätzen war sie vor ihm an der Tür und machte sich breit. „Wagen Sie es nicht!“ Ihr Blick sprach Bände. „Ich bin Konzertgängerin.“
Das schüchterte ihn ziemlich ein. Denn als Herr Jürgen sagte „Setzen Sie sich dahin! Die Polizei ist gleich da.“ folgte er brav.
Acht Fassungen stellten die Polizeibeamten bei ihm sicher. Der Mann wurde in Handschellen abgeführt.
Die beiden älteren Damen, Herr Jürgen und die nette Angestellte gönnten sich auf den Schrecken erst einmal einen Kaffee und etwas Konfekt und Daisy wäre nicht Daisy gewesen, wenn sie nicht auch vor Zindy ein Stück hingestellt hätte.
„Es würde mich nicht wundern, wenn dieses Äffchen seine Finger im Spiel gehabt hätte“, sagte sie leichthin und alle lachten.
Zindy ließ sie. Als keiner hersah lutschte sie ein wenig an der Schokopraline, obwohl das doch eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Eine Superheldin wie sie war schließlich immer und überall im Einsatz.


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