Zindy forever
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Zindy und die haarigen Monster

 

Zindy fand braune Augen schön. Vielleicht lag das daran, daß die meisten Stofftiere braune Augen haben. So auch sie, ein kleiner Orang-Utan mit flauschig weichem, orangefarbenen Fell und eben strahlend braunen Augen. Vielleicht spielte es aber auch eine Rolle, daß der Mensch, bei dem sie jetzt wohnte, braune Augen hatte.
Nur die braunen Augen, die sie jetzt gerade fixierten, brauchte sie nicht. Bis jetzt hatte sie es geschafft diesen Augen aus dem Weg zu gehen. Klar hatten sie sich getroffen. Dabei waren sie aber nie allein mit ihnen gewesen. Entweder war ihr Mensch Kisha im Raum gewesen oder deren Freundin Nina. Oder Kishas Mutter oder Oma Charlotte.
Heute früh war Kisha wie jeden Werktag zur Arbeit aufgebrochen und hatte dabei wohl die Tür zu ihrer kleinen Dachgeschoßwohnung nicht richtig zugezogen. Nun war die größtmögliche Katastrophe eingetreten. Vom Erdgeschoß aus, wo Kishas Eltern wohnten, hatten sich die beiden heimlich nach oben geschlichen und jetzt saß Zindy Auge in Auge mit Whoopi und Snape.
Zwei haarigen Monstern.
Zwei freilaufenden, unbeaufsichtigten haarigen Monstern um genau zu sein.
Für einen Menschen war so eine Begegnung im Normalfall nicht schlimm, aber sie war ein Stoffaffe und das da waren zwei echte Hunde. Und echte Hunde und Stofftiere waren für gewöhnlich keine Freunde.
Für ein souveränes Stofftier war ein Hund an und für sich keine Konkurrenz. Dazu waren sie einfach zu verschieden. Mit Hunden ging man Gassi, ließ sie Stöckchen holen und brachte ihnen alberne Kunststücke bei. Dressierte Zirkustiere eben. Stofftiere dagegen durften in jedem Urlaub dabei sein und sogar mit im Bett schlafen. Soweit die Theorie. Trafen sie jedoch ohne menschliche Aufsicht aufeinander, sah das Ganze etwas anders aus.
Welches Stofftierkind kannte nicht die grausame Geschichte von der kleinen Stoffkuh Kunigunde und dem Dackel Bodo. Nachts im Kaufhausregal, wenn es ganz dunkel war, hatte sie der alte Seelöwe wieder und wieder erzählt. Allen Stofftieren hatte es die Fellhaare zu Berge gestellt und selbst Löwen und Gazellen hatten sich schutzsuchend aneinander gekuschelt.
Kunigunde – das wusste jeder – hatte auch einmal im Regal gelebt. Sie war ein typisches Fleckvieh gewesen, braun mit weißem Kopf, weißen Beinen und weißem Bauch. Ausgestattet mit einem kleinen Glöckchen hatte sie oft im Regal ganz vorne gestanden, denn auch die Verkäuferinnen hatten sie extrem süß gefunden. Dummerweise wurde ihr das dann zum Verhängnis.
Es war wohl kurz vor Ostern gewesen. Zu dieser Zeit war in der Spielwarenabteilung und damit auch vor den Stofftierregalen immer mehr Betrieb. Als hätte man sie mit einem Bus herbeigekarrt waren jede Menge Großeltern durch die Gänge geströmt um noch eine Kleinigkeit für die Enkel zu besorgen.
Eines dieser Paare war dabei von ihm begleitet worden. Bodo, dem Dackel.
Angeregt diskutierend waren die beiden vor dem Regal stehen geblieben. Wie man heraushören konnte waren sie sich noch nicht über die Art des Stofftieres einig. Sie hatte zu einem Pony tendiert. Seiner Meinung nach war ein Hirsch genau das Richtige. Während sie noch miteinander verhandelt hatten, hatte sich Bodo blitzschnell eines der Stofftiere geschnappt. Nach Herzenslust hatte er an Beinen, Schwanz und Kopf gezerrt. Hilflos war ihm Kunigunde, die Kuh, ausgeliefert gewesen. Als das Ehepaar endlich bemerkt hatte, was zu ihren Füßen geschah, war es um die arme Kuh längt geschehen.
Ein Ohr ganz, ein Bein halb abgerissen. Aus dem offenen Bauch quoll Füllmaterial. Der Anblick war so schlimm gewesen, daß sich die anderen Stofftiere am liebsten abgewendet hätten. So hatten die meisten nur die Augen geschlossen oder ins Leere gestarrt.
Der Mann hatte eine Verkäuferin herbeigebeten und ihr erklärt, was geschehen war.
„Nicht so schlimm,“ hatte die freundlich gesagt. „Das regeln wir an der Kasse.“
Sie hatten noch etwas von „Versicherung“ gehört. Dann waren die drei weg gewesen.
Bestimmt fünf Minuten lang hatte sich erst einmal keines der Stofftiere bewegen können. Alle waren noch im Schock. Dann gelang es den älteren erst sich und dann die jüngeren zu beruhigen.
Der Adler vom obersten Regalbrett beobachtete im Anschluss wie Kunigunde noch einen halben Tag achtlos neben der Kasse lag. Dann war sie plötzlich weg. Wohin erfuhren sie nie.
Das ältere Paar jedenfalls hatte sie nicht mitgenommen. Die hatten samt Dackel Bodo die Spielwarenabteilung mit einem Tierpuzzle verlassen.
Und darum stand Zindy jetzt kurz vor einer Panikattacke.
Bleib ruhig, Zindy! Der kleine Affe versuchte nicht zu zittern. Sie spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken runterlief. Denk nach, Zindy! Denk nach! Es musste einen Ausweg geben. Denn eines wusste sie. Ein freundliches Lächeln würde sie hier nicht retten. Bitte! Bitte! Ich will auch immer ein artiger Stoffaffe sein, flehte sie.
Als ob sie jemand gehört hätte, flog plötzlich eine Fliege durch den Raum. Glücklicherweise war das etwas, was das schwarzhaarige Monster nicht durchgehen lassen konnte. Er folgte der Fliege kurz mit den Augen. Ein Sprung und die Fliege war Geschichte. Schmatzend zog er sich zum Chillen auf den kleinen Teppich vor Kishas Schlafzimmertür zurück. Zindy hatte der Hund bereits vergessen.
Damit blieb für Zindy allerdings immer noch das zweite haarige Monster. Es hörte auf den Namen „Whoopi“, war eine Terrierdame und bei weitem nicht so einfach abzulenken. Sie hatte die auf dem Sofa sitzende Zindy gleich beim Hereinkommen entdeckt. Eine lächerliche Fliege konnte sie hier nicht ablenken. Das Teil da war ein Stofftier und in ihren Augen war jedes Stofftier ein potentielles Hundespielzeug.
Zindy sah sie förmlich denken. Darf ich das nehmen oder gibt das Ärger? Das Sofa ist nicht allzu hoch. Eine Pfote drauf und schon hätte ich es.
Der immer schneller hin- und her wackelnde Kopf verriet Zindy, daß die Hündin bald zu einer Entscheidung kommen würde. Die konnte sie nicht abwarten.
Hastig ließ sie ihre Augen durch den Raum schweifen. Was konnte sie hier retten? Ein Regal. Ein Fernseher. Noch ein Regal. Eine Kommode. Ein Hocker mit einer weichen Decke. Nett, aber nutzlos.
Nutzlos? Zindys Blick ging ruckartig zu der Kommode zurück. Da lag sie, ihre Rettung.
Sie zählte nicht einmal bis drei, sondern sprang sofort über Whoopis Rücken auf den Wohnzimmertisch und von dort weiter zu einem der Griffe an der Kommode. Zweimal vor- und zurückschwingen und sie katapultierte sich direkt auf die Kommode. Der Schwung ließ sie über die glatte Oberfläche rutschen, doch sie kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Nur fünf Zentimeter weiter und sie wäre über den Rand geschlittert und direkt in den Mund der nun dort wartenden Whoopi gefallen.
Zindy atmete tief durch. Langsam richtete sie sich auf. Das Schwierigste war geschafft. Der Rest war jetzt ein Kinderspiel.
Direkt unter ihr jaulte der Terrier.
 Sie drehte sich zu der kleinen Tüte um, die sie vom Sofa aus entdeckt hatte. Sie hatte richtig gesehen. Die war nicht ganz verschlossen.
Zindy nahm ihre ganze Kraft zusammen. Tatsächlich gelang es ihr die Tüte so weit vorzuschieben, daß sie über der Rand der Kommode rutschte. Beim Aufprall auf dem Boden platzte die halboffene Tüte mit einem lauten Knall vollends auf. Sehr zur Freude der haarigen Monster verteilten sich Dutzende von Hundeleckerlis über den Boden.
So interessant sie eben noch gewesen war, so unwichtig war sie jetzt. Wie ein Hochleistungsstaubsauger fegte Whoopi über den Fußboden und verschlang die unerwartete Leckerlischwemme innerhalb weniger Sekunden.
Fast tat Zindy der zweite Hund leid. Zwar war er durch den Knall aufgeschreckt herbeigeeilt, aber viel hatte er nicht mehr abbekommen.
Als die beiden haarigen Monster sicher waren jeden Krümel erwischt zu haben sah Whoopi Zindy nochmals an. Jetzt wirkten ihre Augen gar nicht mehr so bedrohlich. Eher dankbar. Dann trollten sich die beiden wieder nach unten.
Vielleicht kann man ja doch irgendwie mit ihnen leben, dachte Zindy. Schließlich hatten sie ja braune Augen.
Und die fand Zindy schön.



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