Zindy forever
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Zindy kommt nach Bayern


„Hey, du Schlafmütze, aufwachen! Wir sind gleich da!"
Wie? Wir sind gleich da? Zindy gähnte herzhaft, schmatzte kurz und drehte sich dann auf die andere Seite. Lass mich schlafen, dachte sie. Hier ist es doch so schön kuschelig.

„Ich schlafe nicht. Ich bin putzmunter.“
Erst jetzt wurde Zindy bewusst, daß das eben nicht ihr gegolten hatte.Die junge Frau am Steuer des Wagens hatte nicht mit dem Stoffaffen hinter sich gesprochen. Nein, sie grinste zu ihrer Beifahrerin. „Schon klar. Und ich gewinne morgen im Lotto.“
„Mach doch! Dann können wir öfter nach Berlin.“
„Ach ja, Berlin“, seufzte es ganz leise auf dem Rücksitz. Auch wenn sie bis gestern außer einem Regal in der Spielwarenabteilung absolut nichts von der Stadt gesehen hatte, wurde es ihr jetzt doch etwas mulmig. 
Gut, die anderen Stofftiere im Regal waren nicht alle nett zu ihr gewesen, aber wenigstens war sie dort unter ihresgleichen. Jeder in dem Regal träumte davon, von einem Menschen mitgenommen zu werden. Manche warteten jahrelang vergeblich darauf in ein Kinderzimmer, auf eine Kommode, ein Sofa oder sogar in ein Bett zu ziehen. Sie jedoch war gestern nach nur drei Monaten im Regal von der jungen Frau am Steuer ausgesucht worden. Trotz massiver Konkurrenz durch Erdmännchen und Eulen hatte die sich für den kleinen Affen entschieden. Sie, Zindy, ein Orang-Utan-Mädchen, um ganz genau zu sein.
Wie sie inzwischen wußte hieß die Frau Kisha. Kisha Knirps.
Die hatte mit ihrer allerbesten Freundin Nina Berlin besucht. Praktisch war, daß sie bei ihrer gemeinsamen Freundin Stefanie schlafen konnten. So wurde das Ganze nicht so teuer und der Spaß verdreifachte sich.       
Der letzte Tag hatte die drei dann in das Kaufhaus gebracht, in dem Kisha statt eines albernen Berlin-Souvenirs den Stoffaffen gekauft hatte.
Es folgte ein ziemlich langer Abend auf Stefanies Sofa mit Pizza, Chips, einem voll gefährlichen Film und vielen Kuscheleinheiten für Zindy. Es folgte ein leckeres Frühstück, bei dem sich der kleine Stoffaffe heimlich eine Bananenscheibe aus Stefanies Müsli mopste, und dann packten sie ihre Sachen zusammen und Kisha und Nina machten sich auf den langen Heimweg zurück nach Bayern.
Zindy fand ein Plätzchen auf der Rückbank zwischen den Taschen der jungen Frauen auf Kishas kleinem Schlafkissen. Von dort beobachtete sie neugierig das Geschehen um sie herum.
Es war aber auch alles so spannend.
Gerüche. Geräusche. Es passierte so vieles gleichzeitig um sie herum, daß sie gar nicht wußte, wo sie zuerst hinsehen sollte.
Da gab es Häuser, die höher waren als der höchste Baum im Regenwald. Auch wenn Zindy den noch nie gesehen hatte.  Da gab es lange Tunnel, die sehr dunkel, und Brücken, die sehr hoch waren.
Da gab es siebzig acht vierzehn andere Autos. Einfarbig oder bunt, mit nur einem Fahrer oder einer ganzen Familie, klein und schnittig oder groß und vollgestopft. Sie überholten sogar einen Lastwagen, der Bananen geladen hatte. Und dann gab es etwas, das „Baustellen“ hieß.
Zindy fand die gewaltigen Maschinen eigentlich sehr interessant, aber die beiden Frauen stöhnten nur „Nicht schon wieder. So kommen wir nie vom Fleck.“
Es kam Zindy sehr entgegen, daß das Auto jetzt deutlich langsamer fuhr. So konnte sie alles etwas besser beobachten
Lustige Männer in grellgelben oder quietschorangen Westen mit farblich passenden Helmen spielten im Dreck. Eifrig karrten sie Sand, Steine und andere Dinge hin und her. Das Spiel hieß wohl „Straße ausbessern“.
Auch für die Menschen in den anderen Autos hatte Zindy jetzt mehr Zeit. Die Fahrer wirkten gestresst, die Beifahrer eher genervt und die Kinder auf den Rücksitzen ziemlich gelangweilt. Bis auf den zugegeben etwas dumm dreinblickenden Jungen in dem Auto, das gerade neben ihnen fuhr.
Zindy lächelte freundlich zu ihm hinüber. Und was tat der?
Erst zeigte er albern lachend auf sie und dann schnitt er eine Fratze nach der anderen.
Zuerst sah sie darüber hinweg. Doch er hörte einfach nicht auf. Finger in die Nase. Zunge bis zum Anschlag raus. Mund verziehen und gleichzeitig die Augen verdrehen.
Zindy sah ihm eine Weile zu. Schließlich wurde es ihr jedoch zu blöde. Mit einem Riesensatz sprang sie gegen die Seitenscheibe.
Damit hatte der Junge wohl nicht gerechnet. „Der Affe hat mich angegriffen!“ Er begann lauthals loszuheulen und deutete dabei mit dem Finger auf Zindy.
„Jetzt ist aber Ruhe“, schimpfte ihn seine Mutter. „Ein Stoffaffe, der sich bewegt. Was dümmeres ist dir wohl nicht eingefallen. Noch so ein Ding und die Süßigkeiten sind für heute gestrichen.“ Sie sah zu Zindy hinüber und schüttelte genervt den Kopf.
Dort saß Zindy natürlich längst wieder unbeweglich auf ihrem Platz.
Danach geschah längere Zeit nichts interessantes, so daß sie ganz, ganz langsam wegdöste bis – ja, bis gerade eben.
Und jetzt war ihr mulmig. Was, wenn sie hier niemand mochte?
Das Auto bog noch um eine letzte Kurve und dann hielt es vor einem schmucken Häuschen mit Einliegerwohnung.
„Dann bis morgen, Kisha,“ sagte Nina. „Die drei Straßen bis zu mir nach Hause schaffe ich zu Fuß.“ Sie holte ihre Tasche vom Rücksitz und winkte dem kleinen Affen zu. „Tschüß, Zindy!“
Zindy wollte noch zurückwinken, aber da ging die Haustüre auf. Gleich würde sie Kishas Familie zum ersten Mal sehen. Da würde es ihr Nina verzeihen, daß sie das Zurückwinken völlig vergaß.
Eine alte Frau trat aus der Haustür. Zindy war sie sofort sympathisch. So sieht jemand aus, der Stofftiere mag. Eine flotte Kurzhaarfrisur umrahmte ihr fröhliches Gesicht. Das bedruckte T-Shirt gab ihr einen jugendlichen Touch. Sie summte irgendetwas vor sich hin.
„Äschäs tu Äschäs“ verstand Zindy. Sie hatte keine Ahnung, was das heißen sollte.
Ganz offensichtlich wollte die Frau gerade weggehen. Dann erkannte sie Kisha und begann zu strahlen.
„Kommt alle raus! Kisha ist zurück!“ rief sie in den Hausflur.
„Oma Charlotte!“ Kisha, die gerade Zindy vom Rücksitz geholt hatte, sprang auf die alte Dame zu und umarmte sie.
„Na, da haben wir sie ja wieder.“ Ein Mann erschien im Türrahmen.
„Und sie hat ein neues Stofftier dabei.“ Eine Frau kam hinzu. Sie hakte sich bei dem Mann ein. „In einer Bank arbeiten, aber immer noch Stofftiere kaufen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Kisha Charlotte Knirps. Hört denn dieser Quatsch nie auf? Wir haben doch gerade erst ein Dutzend dieser Teile für die Tombola gespendet.“
„Ja, aber die ist was besonderes“, sagte Kisha zu ihrer Mutter. „Schau doch nur, wie sie schaut.“
„Wie wer schaut?“ Ein Junge – vielleicht zwei Jahre jünger als Kisha – bog auf seinem Fahrrad um die Ecke.
Zindy kannte diesen Typ Jungen. In der Gruppe waren die schrecklich. Kaum waren die Verkäuferinnen im Kaufhaus nicht zu sehen, spielten solche Wurfbude mit Stofftieren. Sobald sie aber alleine mit einem Mädchen vorbei spazierten, fanden sie jedes Stofftier süß, das das Mädchen länger als fünf Sekunden ansah.
„Niemand, Bruderherz.“ Kisha hielt Zindy weit von ihrem Bruder weg. „Die ist tabu für dich!“
„Kein Problem“, winkte der ab. „Das übernehmen schon …“
Er hatte den Satz noch nicht beendet, da hörte Zindy sie. Eine doppelte Portion haarige Monster stürmte japsend und bellend auf Kisha zu.
„Whoopi! Snape!“ jauchzte Kisha. „Was hab ich euch vermisst.“ Sie drückte Zindy ihrer Oma in die Hand und knuddelte die wild umherwuselnden Hunde.
Zindy war froh, daß sie bei Oma Charlotte in Sicherheit war. Haarige Monster waren der Todfeind eines jeden Stofftieres und hier gab es gleich zwei davon.
Etwas später wurde Zindy von Kisha hoch ins Dachgeschoß getragen. Dort hatte die ihr eigenes kleines Reich.
Kisha setzte sie aufs Sofa. „Mach es dir bequem, Zindy!“
Zindy seufzte glücklich und sah sich um. Trotz des Jungen. Trotz der haarigen Monster. Hier wohnte Kisha, ihr Mensch.
Und jetzt war es auch ihr Zuhause.

 



Lies gleich weiter: "Zindy und die haarigen Monster"