Zindy forever
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Zindy aus Berlin

 

Wenn du in einem wirklich großen Kaufhaus in Berlin mit der Rolltreppe in den zweiten Stock fährst, kommst du auch in die Spielwarenabteilung. Gut, du musst erst unten durch die Drogerie- und Parfumabteilung, wo buntbemalte Damen allerlei Stifte, Pinsel und Dosen kaufen können mit denen sie noch bunter oder anders bunt werden. Dann einmal hoch in den ersten Stock, dort, wo es im Sommer oft Handschuhe, Mützen und Schals und dafür im Winter Badebekleidung gibt. Um die Runde und noch einmal Rolltreppe fahren und schon bist du im zweiten Stock.
Wer sich nach links wendet findet alles, was ein gut sortierter Haushalt braucht: Teller und Tassen, Töpfe und Pfannen, Handtücher und Bettwäsche und den Krimskrams, den Frauen Dekoration und Männer unnötig nennen. Biegst du aber nach rechts ab landest du endlich in der Spielwarenabteilung.
Da gibt es dann Spiele und Eisenbahnen, Feuerwehrautos und Puppen und vieles mehr. Und natürlich auch Stofftiere.
Kleine Stofftiere, große Stofftiere, riesengroße Stofftiere. Stofftiere, die Kleidung tragen. Stofftiere, die sich mit Hilfe eines Motors bewegen können. Zuerst stehen die Regale mit den neuesten und beliebtesten Stofftieren. Viele davon kennt man aus Filmen und Fernsehserien. Wenn Mütter oder Väter mit ihren Kindern vorbeigehen hört man häufig ein Bitten und Betteln bis das ersehnte Stofftier gekauft wird, obwohl doch gar nicht Weihnachten oder Geburtstag ist.
Irgendwo dahinter steht ein Regal mit den eher einfachen Stofftieren. Ohne Elektronik. Ohne Kleidung. Ohne Superkräfte. Meist ist das Regal sehr vollgestopft mit den verschiedensten Stofftieren. Völlig unsortiert stehen oder sitzen da Elefant neben Pinguin und Kuh neben Dinosaurier. Wer gerade vorne steht entscheiden die Verkäuferinnen nach Platzangebot und persönlichen Vorlieben. 
Auch heute quoll das Regal fast wieder über. Wer vorne saß musste Angst haben herauszufallen, aber dafür hatte man hier noch die besten Chancen entdeckt und mitgenommen zu werden.
Ganz schlecht schien es deshalb auch für ein kleines Orang-Utan-Mädchen auszusehen. Das unterste Regalbrett für sich allein war schon ungünstig genug. Wer will sich denn schon bücken. Dazu machte sich links neben ihr eine Horde Wildschweine breit. Der Löwe rechts klemmte ihr mit seiner gewaltigen Pratze den Arm ab. Elefant Tembo direkt vor ihr streckte ihr seinen Hintern genau ins Gesicht. Und ganz vorne waren die ach so beliebten Eulen aufgereiht. So eingezwängt wartete sie.
Und wartete. Und wartete. Wartete wie all die anderen darauf, dass irgendjemand vorbeikam und genau sie haben wollte. Ein schönes Zuhause. Jemand, der sie liebt und kein Elefantenpopo vor der Nase.
Der Nachmittag neigte sich langsam dem Ende zu. Wie gestern und vorgestern würde wahrscheinlich auch heute wieder keines der Stofftiere das unterste Regalbrett verlassen. Die Giraffen gähnten herzhaft um die Wette. Die Eisbären rollten sich zum Schlafen ein und das Nilpferd, das schnarchte schon seit einigen Minuten laut und hemmungslos. Da kam auf dem vierten Regalbrett urplötzlich Unruhe auf.
Von dort meldeten die Erdmännchen Menschenalarm. Jemand näherte sich dem Regal. Und wirklich. Drei junge Frauen schlenderten den Gang entlang und blieben tatsächlich vor genau ihrem Regal stehen.
In den oberen Fächern stellten die Hähne ihre Kämme auf. Die Teddybären versuchten besonders putzig zu schauen. Fred Fuchs setzte sein unschuldigstes Gesicht auf und die Zebras präsentierten ihre Streifen.
Ganz unten sahen die Eulen und Tembo, der Elefant, drei paar Turnschuhe.
„Könnt Ihr was sehen?“ fragte das kleine Orang-Utan-Mädchen aufgeregt, doch niemand beachtete sie. Alle waren selbst viel zu sehr damit beschäftigt gut auszusehen.
Die Eulen rückten zwei Zentimeter vor. Endlich flüsterte eine: „Drei junge Frauen. Etwas zu flippig gekleidet, wenn ihr mich fragt.“ Sie winkte ab. „Eine nimmt gerade ein Erdmännchen in die Hand. Das war es dann wohl für uns.“
Das Orang-Utan-Mädchen versuchte sich vergebens zu befreien. „Ich will sie auch sehen! Macht doch mal Platz!“ Doch das interessierte niemanden.
„Das ist doch süß,“ hörte man eine der jungen Frauen sagen.
„Ich weiß nicht so Recht,“ erwiderte die zweite. 
„Oder doch eine Eule?“ fragte die dritte.
Die Eulen rückten noch einen Zentimeter vor und standen jetzt so weit vorne, dass sie fast aus dem Regal fielen.
Fast?
Das Orang-Utan-Mädchen erinnerte sich an die Worte des alten Seelöwen, der letzte Woche nach vier langen Jahren im Regal von einem netten älteren Herrn mitgenommen worden war. „Denke immer daran, kleiner Affe. Für jeden gibt es einen. Auch deiner kommt noch. Hab nur etwas Geduld!“
Geduld hin oder her. Sie spürte, dass das hier ihre Chance war. Jetzt oder nie.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und kniff mit ihrer freien linken Hand den Elefanten fest in den Po.
Tembo machte einen erschrockenen Satz nach vorne, worauf die Eulen aus dem Regal fielen. 
Noch bevor irgendwer sonst reagierte zog der kleine Affe mit einem Ruck seinen rechten Arm unter der Pratze des Löwen hervor. Ein Satz und er war an Tembo vorbei. Noch ein Satz und das Orang-Utan-Mädchen fiel mit dem Gesicht voran hinter den Eulen her aus dem Regal.
„Ich glaube, ich habe versehentlich ein paar Stofftiere runtergeworfen,“ hörte sie von oben.
Jemand bückte sich über sie. Dann spürte sie wie eine Hand sie behutsam hochhob. Zwei braune Augen sahen sie lange an.
„Oder die?“ fragten die braunen Augen.
„Hm. Die hat was,“ sagte die zweite Frau.
„Ja, ich habe was,“ murmelte der kleine Affe, aber das konnten die Frauen nicht hören.
„Ich glaube, sie will, dass ich sie mitnehme,“ sagten die braunen Augen.
„Du und Stofftiere.“ Die beiden anderen jungen Frauen kicherten. „Wahrscheinlich lebt der Orang-Utan auch noch?“
Der Affe verstand die Frage nicht.
„Und wie soll sie denn heißen?“
„Zindy. Ich heiße Zindy,“ flüsterte der Affe.
Die braunen Augen überlegten kurz. „Wie wäre es mit Zindy?“
Zusammen stopften die drei jungen Frauen die Eulen mehr oder eher weniger behutsam zurück ins Regal und dann trugen die braunen Augen das kleine Orang-Utan-Mädchen lachend zur Kasse.
Genau in diesem Moment wusste Zindy es. Der alte Seelöwe hatte Recht gehabt. Für jeden gibt es einen.
Und das hier, das war ihr Mensch. 



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