Zindy forever
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Zindy findet noch einen Freund

 

Zindy lümmelte faul auf ihrer neuen Decke.
Was war das aber auch wieder für ein Stress heute. Sie hatte schon eine halbe Stunde auf dem Bauch gelegen und sich gerade selbständig auf den Rücken gedreht ohne Gerome um Hilfe zu bitten. Der schlief ohnehin.
Vielleicht noch ein Plätzchen? Aber die standen auf dem Wohnzimmertisch und waren damit fast einen Meter von ihrer Decke auf dem Sofa entfernt. Und das war eindeutig zu weit weg um sie mit einem Mal den Arm ausstrecken zu erreichen.
Weihnachten war aber auch wieder sehr anstrengend gewesen. Sie hatte persönlich alle Vorbereitungen überwacht und alles probiert, was im Hause gekocht oder gebacken worden war und bei bestimmt vierzehn Sorten war das schon eine Leistung für einen kleinen Stoff-Orang-Utan. Letztendlich hatte es sich aber gelohnt, denn nachdem sie letztes Jahr schon diesen coolen Schal erhalten hatte, war ihr Geschenk dieses Jahr noch etwas größer ausgefallen. Das Prinzip mit diesem Wunschzettel ans Christkind hatte wieder perfekt funktioniert. Sie hatte sich etwas kuschelig Weiches gewünscht und einen entsprechenden Hinweis auf dem Fensterbrett hinterlassen. Und dann war in ihrem Paket unter dem Christbaum ein kleines Kissen mit farblich passender Decke gewesen.
Zindy mochte dieses Christkind. Gleichwohl hatte sie den Verdacht, daß Oma Charlotte mit ihm irgendwie unter einer Decke steckte, denn Kisha hatte beim Anblick von Zindys Geschenk ihre Großmutter umarmt und etwas von „bester Oma aller Zeiten“ gemurmelt.
Jetzt nach den ganzen Feiertagen war das kleine Stoff-Orang-Utan-Mädchen erschöpft vom Weihnachtsprogramm. Laut Gerome hatte sie alles an Aktivitäten mitgenommen, was ihr möglich war. Backen. Essen. Schmücken. Essen. Wunschzettel. Essen. Geschenke. Essen. Sogar bei den Weihnachtsliedern hatte sie – wenn auch sehr leise – mitgesungen. Was auch gut war, denn die Textzeile „O Tannenbaum, o Tannenbaum. Ich schwing‘ an deinen Blättern.“ war keinem geläufig.
Und darum lümmelte sie jetzt faul auf ihrer Decke und wollte nicht einmal mehr ein Plätzchen. Nicht ganz wach und nicht ganz schlafend döste sie vor sich hin während die letzten Strahlen der Nachmittagssonne über ihren Bauch hinwegzogen.
Eine ihr vertraute Melodie ertönte vom Wohnzimmertisch. Der kleine Stoff-Orang-Utan drehte nicht einmal den Kopf. Das war nur Kishas Mobiltelefon. Zindy gähnte herzhaft. Sollte es doch läuten. Sie fand telefonieren furchtbar öde. Wer sollte sie schon anrufen? Etwa das Schwein Was-auch-immer?
„Ich komme schon! Ich komme schon!“ Kisha stürmte aus der Küche herbei.
Im Gegensatz zu Zindy telefonierte sie nämlich fürchterlich gerne. Mal mit Nina so an die zwei Stunden, obwohl sie sich doch gerade erst gesehen hatten. Und mal mit Stefanie aus Berlin, mit der sie sich so viel Neues zu erzählen hatte, daß dafür manchmal ein ganzer Fernsehabend nicht ausreichte.
„Hier beim Christkind“, meldete sie sich ordnungsgemäß. „Wer da?“
„Gleichfalls“, kam es laut lachend vom anderen Ende der Leitung. „Schalt doch mal auf Videotelefonie!“
Videotelefonie? Jetzt wurde Zindy wach. Sie drehte den Kopf und sah zu Kisha.
Die drückte ein paar Knöpfe, lehnte das Telefon gegen ein Buch auf dem Tisch und setzte sich aufs Sofa neben Zindy. „Verbindung steht.“
„Hier auch.“ Aus dem Telefon kam eine Stimme, die der kleine Stoff-Orang-Utan gut kannte. In einem knallbunten Weihnachtspulli erschien Stefanie im Display, Kishas und Ninas Freundin aus Berlin. „Oh Mann. Vielen Dank für das tolle Weihnachtspäckchen“, strahlte sie. „Und vor allem für …“Sie hielt etwas in die Kamera.
Zindy fiel vor Überraschung fast vom Sofa. Es gab keinen Zweifel. Das da war …
„Heiner. Sieht er nicht aus als würde er Heiner heißen?“ Ein verträumt wirkendes Stofftier strahlte mit Stefanie um die Wette. Als es Zindy entdeckte, strahlte es noch mehr und winkte aufgeregt, was glücklicherweise weder Kisha noch Stefanie auffiel. Die blieben nur noch kurz beim Thema „Stofftier“ und ratschten dann weiter über ihre anderen Geschenke. Von denen ging es über zu dies und das, wobei sie wie üblich vom Hundertsten ins Tausende gerieten.
Zindy stupste Gerome heimlich mit dem Fuß an. Der wachte auch brav auf.
„Heiner“, flüsterte sie kaum hörbar.
Keiner? Gerome verstand nur Bahnhof. Wieso keiner? Da er aber Zindy und ihre verrückten Ideen inzwischen gut kannte, wartete er einfach erst einmal ab.
„Getränke- und Pipipause?“ fragte Kisha gerade Stefanie.
„Getränke- und Pipipause“, bestätigte die. Kisha verschwand aus dem Wohnzimmer und Stefanie vom Display.
Kaum waren die beiden weg, erschien auf der einen Seite ein breit grinsendes Faultier auf dem Bildschirm, auf der anderen Seite hüpfte Zindy mit einem misstrauischen Gerome im Schlepptau vor das Display des Mobiltelefons.
„Zindy, Zindy“, quickte Heiner aufgeregt. „Ich bin jetzt auch in Deutschland. Cool, nicht?“
Und dann erzählte er ihnen, was alles geschehen war nachdem Zindy die Stofftierfabrik verlassen hatte. Acht weitere Monate hatte er noch dort verbracht bis über Nacht Faultiere in Mode kamen. Von da an verließen jeden Tag Dutzende der putzigen Stofftiere die Fabrik und Heiner schaffte es tatsächlich in eine Kiste nach Deutschland. Ein kleiner Spielwarenladen in Ulm wurde sein nächstes Zuhause.
„Dort war es lustig“, berichtete Heiner. „Manchmal hat uns der Besitzer sogar auf die ferngesteuerten Spielzeugautos gesetzt und herumfahren lassen.“
Kurz vor Weihnachten hatten ihn dann zwei junge Frauen gekauft. „Viel Spaß bei Stefanie in Berlin“, hatten sie zu ihm gesagt ehe sie ihn zu allerlei Geschenken in einen kleinen Karton gesteckt hatten. Sogar Atemlöcher hatten sie hineingestochen, so daß er Luft bekam und praktischerweise auch alles sehen konnte. Er durfte in einem kleinen gelben Auto mitfahren, dann in einer großen Halle auf verschiedenen Laufbändern kreiseln. Anschließend in einem ganz großen gelben LKW weiterfahren. Wieder ein paar Laufbänder. Noch ein kleiner gelber LKW und dann wurde er ausgeliefert. Zu seinem Glück hielt die Empfängerin das Päckchen kurz hoch, so daß er sie ein wenig sehen konnte und sie sah faultiermäßig nett aus. Ein paar Tage musste er noch im Päckchen aushalten und dann zog er bei Stefanie ein.
„Vielleicht kommt ihr mich ja mal besuchen und ich zeige euch Berlin“, schlug Heiner vor. „Oder ich komme zu euch.“
„Ein Besucherfaultier“, überlegte Zindy.
„Ein Besucherfaultier, das wieder geht“, murrte Gerome missmutig. „Und was will es uns schon in Berlin zeigen. Es kommt schließlich aus Ulm.“
Erschrocken stellte Zindy fest, daß sie vor lauter Wiedersehensfreude vergessen hatte das schwarze Schaf vorzustellen. Kein Wunder, daß Gerome jetzt verstimmt war.
Schnell schob sie ihn groß ins Bild. „Und das ist Gerome. Mein Freund“, beeilte sie sich zu sagen. „Mein allerbester Freund.“
Geromes Stimmung wurde prompt deutlich besser. „Na, vielleicht hat es ja einen Stadtplan.“
Heiner wollte gerade fragen, was denn ein Stadtplan sei, als er ein Geräusch hörte. „Ich glaube, …“
Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn auch die anderen beiden hörten es.
„Schnell. Totstellen“, rief Zindy. „Ihr wisst, was das heißt!“
Heiner nickte aufgeregt. „Ich weiß es. Ich weiß es.“
Gerome war eher gelangweilt. "Zwei von uns haben im Unterricht aufgepaßt.“
Fiel nämlich das Wort „Totstellen“ so wusste jedes Stofftier, was es zu tun hatte. Dafür hatte das Schwein Was-auch-immer gesorgt. Oft genug hatte es das mit ihnen in der Stofftierfabrik geübt. Aus heiterem Himmel hatte Was-auch-immer genau dieses Wort gerufen und wehe dem, der nicht innerhalb von drei Sekunden regungslos herumlag. Auf die Strafpredigt konnte man gerne verzichten. Nur ein vorwitziges Orang-Utan-Mädchen hatte das manchmal dazu benutzt um versehentlich aus der eigenen Box zu fallen und in lustigen Posen auf dem Boden zu landen. Das hatte viele andere Stofftiere zu heimlichem Grinsen und Was-auch-immer zur Weißglut getrieben.
Auch heute verzichtete sie nicht ganz darauf und so lagen die drei Stofftiere auf den ersten Blick brav herum als Kisha und Stefanie zurückkehrten. Wer aber genauer hinsah konnte erkennen, daß Zindy ganz leicht mit dem Hintern wackelte. Die beiden Freundinnen waren schon wieder viel zu sehr in ihr Gespräch vertieft als daß sie das sahen. Aber sowohl das Schaf als auch das Faultier bemerkten es. Beide kicherten hinter vorgehaltener Hand, was wiederum Zindy nicht entging.
Sie wackelte nochmals mit dem Hintern und war sich dabei sicher, daß sie mit Gerome und Heiner noch jede Menge Spaß haben würde.


Lies gleich weiter: "Zindy weiß nicht, was sie werden will